Clara Immerwahr als Studentin

Morgen ist Frauentag und damit ist heute der letzte Teil meiner Reihe zu bedeutsamen Frauen, nach denen Straßen und Plätze in Marzahn-Hellersdorf benannt sind, dran. Den Abschluss macht die Wissenschaftlerin Clara Immerwahr, nach der passenderweise eine Straße am Clean-Tech-Business-Park benannt ist.

Die 1870 in Breslau (heute poln. Wrozlaw) geborene Clara Immerwahr war die erste deutsche Frau, die einen Doktortitel in Chemie erlangte. Die Tochter einer jüdischen Familie wurde mit den preußischen Tugenden bescheiden und sparsam erzogen. Bildung spielte in der Familie auch für die Töchter eine wichtige Rolle. Nach den ersten Jahren mit einem Privatlehrer besuchte Clara Immerwahr die höhere Töchterschule (eine Vorläuferin von Mädchengymnasien). Höhere Bildung war für Frauen zu der Zeit jedoch schwer zu erlangen. Einer der wenigen Wege dafür war die Lehrerinnenausbildung. Clara Immerwahr besuchte 1892 in Breslau ein Lehrerinnenseminar. Aufgrund ihres dabei zutage tretenden Interesses an Naturwissenschaften wurde ihr das damals sehr populäre Buch „Conversations on Chemistry“ geschenkt, das sie förmlich verschlang und ihren weiteren Lebensweg prägen sollte.

Der langwierige und schwierige Weg zum Studium

Anstatt als Lehrerin zu arbeiten, konnte sie mit Hilfe ihres Vaters die Prüfung zur Mittleren Reife ablegen. Um das Abitur zu erlangen, musste sie zuerst Vorlesungen an der Universität belegen, da es eine Schule für Frauen dazu nicht gab. Im Wintersemester 1896 besuchte sie ihre erste Vorlesung – zum Thema Experimentalphysik. Im Jahr danach erlangte sie ihr Abitur.

Ein normales Studium war ihr damit jedoch immer noch nicht möglich: Sie durfte lediglich als Gasthörerin an die Universität, für einen Abschluss durften Frauen damals noch nicht studieren. Sie besuchte fortan Vorlesungen der Chemie an der Universität Breslau – dies hatte sich als beliebtes Studienfach für Frauen, in den ersten Jahren, in denen ihnen der Universitätsbesuch erlaubt wurde, entwickelt.

1899 wechselte Richard Abegg als neuer Dozent an die Universität, der Immerwahr förderte, obwohl sie lediglich Gasthörerin war. Gemeinsam forschten sie sogar und veröffentlichten im November 1899 gemeinsam ihre Forschungsergebnisse. Zur etwa gleichen Zeit erlaubte der preußische Kulturminister Frauen das reguläre Studium und Clara Immerwahr konnte so ihre Promotion in Chemie als erste Deutsche erlangen. Bei der öffentlichen Verteidigung ihrer Dissertation waren viele Frauen und auch Presse im Publikum. Sie galt als ein Vorbild für viele Frauen. Trotzdem fiel ihr das Studium aufgrund der schwierigen Umstände schwer: häufig hatte sie Kopfschmerzen und litt unter Stress.

Nach ihrem Abschluss arbeitete sie als Assistentin für ihren Mentor Richard Abegg. Dieser nahm sie auch als erste und einzige Frau mit zur Hauptversammlung der Elektrochemischen Gesellschaft. Dort machte ihr der spätere Nobelpreisträger Fritz Haber, mit dem sie bereits seit längerem liiert war, einen Heiratsantrag.

Clara Immerwahr und Fritz Haber

Das Paar zog nach Karlsruhe, wo Fritz Haber als Professor arbeitete. Aufgrund der hohen Miete für ihre große Wohnung konnten sie sich kein Dienstpersonal leisten. Clara Immerwahr musste alleine alle Hausarbeiten erledigen und konnte so nicht mehr wissenschaftlich arbeiten. Ihre erste Schwangerschaft verlief schwierig, zudem vermisste sie die wissenschaftliche Arbeit. Besser ging es ihr nur, wenn sie Manuskripte ihres Mannes Korrektur lesen und ergänzen konnte. Ihr Sohn war nach der Geburt häufig krank und benötigte viel Aufmerksamkeit von Immerwahr, weshalb ihr klar wurde, dass ihr eine wissenschaftliche Karriere wohl verwehrt bleiben würde. Sie widmete sich mit voller Kraft ihrer Familie und dem Haushalt, was sie jedoch nie vollends ausfüllte.

Ein wenig konnte sie sich die Wissenschaft erhalten, indem sie Vorlesungen im Volksbildungs- und Arbeiterbildungsverein hielt. Die Zuhörerinnen sollen von ihrem Vortrag „Chemie in Küche und Haus“ begeistert gewesen sein.

Die Ehe mit ihrem Mann war von vielen Problemen geprägt, die auch nach ihrem Umzug nach Berlin nicht besser wurden. Fritz Haber meldete sich zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges freiwillig, um an Kriegswaffen zu forschen. Seine Forschungen waren die Grundlage für den Einsatz von Giftgas im Krieg. 1915 erlebte er den ersten Gasangriff der Geschichte: Auf etwa 6 km Front wurden Chlor nach seinem Verfahren aus Flaschen herausgeblasen, wodurch bis zu 1200 französische Soldaten starben und bis zu 3000 verletzt wurden. Dafür wurde er befördert.

Im Mai 1915 tötete sich Clara Immerwahr selbst. Ihr Motiv dafür ist unklar: einigen Berichten zufolge hatte sie ihren Ehemann kurz vorher mit seiner späteren zweiten Ehefrau erwischt. Andere glauben, sie habe sich aufgrund der schrecklichen Folgen der Forschungsarbeit ihres Mannes getötet.