Tagtäglich erbringen Pflege- und medizinisches Personal sowie Feuerwehr- und Rettungsdienstkräfte einen unverzichtbaren Beitrag für unsere Gesellschaft, wofür sie unsere Anerkennung, Dankbarkeit und unseren Respekt verdienen. Drohungen oder gar Gewalt gegen diejenigen Menschen, die im Ernstfall unser oder das Leben von uns nahestehenden Personen retten, darf in keinem Falle toleriert werden!

Doch der angemessene Respekt wird dem Gesundheitspersonal seit einigen Jahren nicht mehr im erforderlichen Maß gezollt – was sich in steigenden Gewalttaten in Krankenhäusern, insbesondere in Notaufnahmen, widerspiegelt. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft veröffentlichte hierzu im April 2024 Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage, aus der hervorgeht, dass 73 % der Krankenhäuser einen deutlichen Anstieg an Gewalt gegen Gesundheitspersonal verzeichnen. Als Grund sehen ebenfalls 73 % der Krankenhäuser einen allgemeinen Respektverlust.

Gewalt gegen Gesundheitspersonal und Rettungskräfte ist ein bundesweites Problem

Gewalt gegen pflegerisches und medizinisches Personal sowie Feuerwehr- und Rettungskräfte ist ein bundesweites Problem – auch die Bundesregierung will Vollstreckungsbeamte, Rettungskräfte und pflegerisches sowie medizinisches Personal besser schützen. Hierfür wurden am 10. Oktober 2024 im Deutschen Bundestag mehrere Gesetzentwürfe zur Änderung des Strafgesetzbuches und zur Stärkung des Schutzes von Gesundheits-, Rettungs- und Einsatzpersonal in erster Lesung beraten. Geplant ist beispielsweise eine Konkretisierung der Strafzumessung in derartigen Vorfällen, die Einführung eines neuen Regelbeispiels („hinterlistiger Überfall“) für einen besonders schweren Fall des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamt:innen sowie eine Anhebung der Mindeststrafe auf sechs Monate Freiheitsstrafe bei tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamt:innen gemäß § 114 StGB.

Auch im Land Berlin kommt es immer wieder zu Schlagzeilen über Gewalt in Krankenhäusern. So kam es in der Silvesternacht 2023/24 in der Lichtenberger Sana-Klinik zu gewaltsamen Übergriffen durch drei männliche Personen gegenüber dem Klinikpersonal. Gegen die drei (zum Teil noch minderjährigen oder heranwachsenden) Brüder wurde zwischenzeitlich Anklage beim Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Tiergarten erhoben – dies teilt der Senat im Rahmen der Antwort zu meiner schriftlichen Anfrage vom 12. September 2024 mit. Doch der Fall ist kein Einzelfall; die Dunkelziffer an Bedrohungen, Nötigungen, sexuellen Übergriffen und Körperverletzungsdelikten gegenüber dem Gesundheitspersonal liegt weit höher – auch das geht aus der Antwort des Senats hervor.

Der polizeilichen Eingangs- bzw. Verlaufsstatistik Datawarehouse Führungsinformation (DWH FI) sind dabei aus den Jahren 2022, 2023 und im bisherigen Jahresverlauf 2024 hinsichtlich sogenannter Opferdelikte gegen die Berufsgruppen Pflege, Feuerwehr und sonstige Rettungsdienste zum Teil eindeutige Anstiege zu entnehmen.

Insgesamt ein Anstieg der Gewaltvorfälle gegen pflegerisches Personal und Rettungskräfte

So kam es im Jahr 2022 in Berlin zu knapp 350 Körperverletzungsdelikten (gefährliche/vorsätzliche einfache/fahrlässige) gegen alle Angehörigen der genannten Berufsgruppen, während es im Jahr 2023 bereits zu insgesamt 413 Vorfällen kam, wobei die Anzahl der gefährlichen Körperverletzungen dabei sogar noch höher lag. Im Zeitraum Januar bis einschließlich August 2024 kam es zu insgesamt 274 Körperverletzungsdelikten gegen das Gesundheitspersonal – unterstellt man einen linearen Verlauf der Vorfälle für den Rest des Jahres 2024, so wären insgesamt ähnliche Zahlen wie 2023 zu erwarten.

Die Anzahl an sexuellen Übergriffen, sexuellen Nötigungen und Belästigungen wird sich unter der Annahme eines gleichmäßigen Verlaufs im verbleibenden Jahr 2024 im Vergleich zu den Vorjahren erhöhen – der Stand zu Ende August 2024 war ungefähr auf dem Stand der Gesamtvorfälle in den Jahren 2022 und 2023.

Bedrohungs- und Nötigungsdelikte werden sich 2024 prognostisch auf ähnlichem Stand wie in den Vorjahren bewegen – im Jahr 2022 kam es zu insgesamt 160 Bedrohungs- und Nötigungsfällen, 2023 waren es 147, im bisherigen Jahr 2024 111 Vorfälle.

Relative Häufigkeit der Übergriffe gegen Feuerwehr- und Rettungskräfte ist deutlich höher

Auf den ersten Blick scheint es, als wäre von allen Delikten die Berufsgruppe der Pflege am stärksten betroffen. Dieses Bild relativiert sich jedoch, wenn man die Gesamtanzahl der Berliner Pflegekräfte und die Gesamtanzahl der Beschäftigten bei der Berliner Feuerwehr und sonstigen Rettungsdiensten betrachtet. Aufgrund der deutlich höheren Anzahl an Pflegekräften ist die relative Häufigkeit der Übergriffe gegen Feuerwehr- und Rettungskräfte daher insgesamt deutlich höher. Insbesondere das Delikt des Widerstandes gegen und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehenden Personen (2022: 134 Fälle, 2023: 209 Fälle, 01.01.-31.08.2024: 92 Fälle) richtet sich nahezu ausschließlich gegen die Berufsgruppen Feuerwehr und sonstige Rettungsdienste.

Anhand der vorgelegten Fallzahlen lässt sich insgesamt ein steigender Trend hin zu Gewalt gegen Gesundheits- und Einsatzkräften ableiten, wobei auch die Anzahl der schwerwiegenden Delikte überproportional zunimmt. Dabei könnte die Zahl der tatsächlichen Fälle noch weit höher liegen – denn nicht jeder Übergriff wird von dem Pflegepersonal oder den Einsatzkräften gemeldet.

Strafrechtliche Konsequenzen für die Täter:innen

Täter:innen sollte klar sein, dass ihre Taten nicht ungestraft bleiben und es sich keinesfalls um Bagatelldelikte handelt. In 127 Fällen wurde Anklage vor den zuständigen Straf- oder Jugendrichter:innen, (Jugend-)Schöffengerichten oder Strafkammern erhoben und es kam zu Verurteilungen zu Freiheits- oder Geldstrafen. In weiteren knapp 100 Fällen folgten Strafbefehle mit Bewährungs- oder Geldstrafen. Darüber hinaus mussten einige Verfahren eingestellt werden – beispielsweise gegen Auflagen oder weil eine Schuldunfähigkeit der Täter:innen vorlag oder die Ermittlungen keinen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage geboten haben.

Doch wie kann dafür gesorgt werden, dass es so weit gar nicht erst kommt? In zahlreichen Krankenhäusern und Rettungsstellen werden nach Angabe des Senats hausinterne Deeskalationsschulungen durchgeführt, um die Mitarbeitenden auf Gefahrensituationen vorzubereiten. Derartige Deeskalationsschulungen sind darüber hinaus Bestandteil von Weiterbildungen zur Notfallpflege. Im DRK-Klinikum Köpenick trainierte kürzlich ein Deeskalations- und Kampfsporttrainer Pfleger:innen und Ärzt:innen für den Ernstfall.

Beratungen durch die Zentralstelle für Prävention als Präventionsmaßnahme

Darüber hinaus steht die im Landeskriminalamt Berlin angesiedelte Zentralstelle für Prävention den Berliner Krankenhäusern für bauliche und technische Prävention für Beratungen zur Verfügung – doch die Beratungen werden (noch) nicht flächendeckend in Anspruch genommen. Im Jahr 2022 führte die Zentralstelle für Prävention drei Beratungen durch, im Jahr 2023 neun und im bisherigen Jahr 2024 zwei Beratungen mit dem Themenschwerpunkt „Bedrohungsmanagement“ durch. Insbesondere die Notaufnahmen der Berliner Krankenhäuser sollten im Interesse ihrer Mitarbeitenden derartige Beratungen vermehrt in Anspruch nehmen. Die Polizei Berlin erstellte in der Vergangenheit für einige Krankenhäuser Sicherheitskonzepte, um die Einrichtungen für Ernstfälle zu wappnen.

Auch Überfallmeldeanlagen, wie sie zum Beispiel in Banken üblich sind, wurden zwischenzeitlich in sechs Berliner Krankenhäusern installiert – weitere Einrichtungen sind in Planung. Doch die kostspielige Installation liegt in der Organisationshoheit der Krankenhäuser – ebenso wie das oben erwähnte zusätzliche Deeskalations- und Abwehrtrainings im DRK-Klinikum Köpenick.

Dringend erforderlich: Berlinweite Präventionsstrategie

Grundsätzlich sind die Krankenhäuser für die Sicherheit der Mitarbeitenden selbst verantwortlich – doch eine landesweite Präventionsstrategie oder ein Leitfaden wäre ein sinnvoller Ansatz, um den Herausforderungen des Gesundheitspersonals angemessen Rechnung zu tragen. In Nordrhein-Westfalen brachte das Präventionsnetzwerk #sicherimDienst in Zusammenarbeit mit der Krankenhausgesellschaft kürzlich einen Leitfaden mit Sicherheitsempfehlungen für Beschäftigte heraus.

Mehr Prävention auch für Feuerwehr- und Rettungskräfte

Auch für Berliner Feuerwehr- und Rettungskräfte wäre ein solcher Leitfaden sinnvoll und dringend nötig. Zwar setzt auch die Ausbildung im Bereich der Feuerwehr und den Rettungsdiensten bereits verstärkt auf Deeskalationstrainings und Aufklärungskampagnen, doch das allein ist nicht mehr ausreichend.

Das Land Berlin arbeitet nach Angaben des Senats derzeit in einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe an einem Landespräventionsgesetz, das Zielvorgaben und Strukturen der Gewaltpräventionsarbeit regeln soll. Dies jedoch nicht ausschließlich mit Blick auf bestimmte Personen- bzw. Berufsgruppen, sondern als ganzheitliches Präventionsgesetz des Landes Berlin. Auch damit sich der brutale Vorfall aus der Lichtenberger Sana-Klinik aus der Silvesternacht 2023/24 in der kommenden Silvesternacht 2024/25 nicht wiederholt, müssen neben wichtiger Aufklärungs- und Präventionsarbeit die polizeilichen Maßnahmen verstärkt darauf abzielen, Gewalt gegen pflegerisches Personal sowie Feuerwehr- und Rettungskräfte zu verhindern, damit unsere Retter:innen nicht zu Opfern werden.