Aber Grüne Finanzverwaltung hält Entlastung für falsch

Obst und Gemüse-Theke als Symbolbild für Grundnahrungsmittel

Die hohen Energiepreise sind zurzeit nicht nur eine Belastung für viele Haushalte in Deutschland, sondern verteuern auch alle Produkte des täglichen Lebens. Besonders Lebensmittel sind betroffen: im Schnitt sind sie mehr als 20 % teurer geworden.

Ich habe in einer schriftlichen Anfrage die Berliner Finanzverwaltung nach den Möglichkeiten einer Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel gefragt. Während sich die SPD Berlin für eine solche breite Vergünstigung von Grundnahrungsmitteln ausspricht, stellt sich die grüne Finanzverwaltung gegen das Vorhaben.

„Es würde sich um eine sehr kostenintensive Maßnahme handeln“

Lebensmittel sind gegenwärtig mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % belegt. Da es für Grundnahrungsmittel keine einheitliche Definition gibt, hat die Senatsverwaltung überschlagen, wie teuer eine Reduzierung der MwSt. auf 0 % für alle Lebensmittel kosten würde. Insgesamt beläuft sich der Umsatz von Nahrungsmittel in Deutschland pro Jahr auf rund 200 Mrd., was zu rund 14 Milliarden Euro Mehrwertsteuereinnahmen führt. Dies ist etwa 5,5 % des gesamten Umsatzsteueraufkommens.

Somit würde ein Streichen der MwSt. auf Lebensmittel rund 14 Milliarden Euro im Jahr kosten. Da die Mehrwertsteuereinnahmen zwischen Bund und Länder geteilt werden (Berlin erhält rund 2,5 %) würde es Berlin ca. 350 Millionen Euro pro Jahr kosten. Der Bund erhält 45,1 % der Umsatzsteuer und müsste so 6,31 Milliarden Euro für die Reduzierung bezahlen. Für die Finanzverwaltung scheint das zu teuer.

Ohne Frage wäre das keine günstige Maßnahme – aber auch keineswegs unbezahlbar. Sie würde allen Menschen im Alltag direkt helfen. Noch verdient der Staat an den höheren Lebensmittelpreisen sogar mit.

Die Mehrwertsteuer-Reduzierung wäre zudem sozial gerecht: Wer wenig Geld verdient, zahlt oft keine Einkommenssteuer – die einzige Steuer, die von allen bezahlt wird, ist die Mehrwertsteuer. Da der Konsum an Lebensmitteln auch nur geringfügig mit höherem Einkommen steigt, belastet die Mehrwertsteuer arme Menschen überproportional stark. Eine Steuersenkung allein auf Grundnahrungsmittel wäre zudem günstiger als die Modellrechnung der Senatsverwaltung.

Zweifel an der Weitergabe der Steuersenkung?

Die Finanzverwaltung zweifelt zudem daran, dass die Steuersenkung von den Händlern an die Bürger:innen weitergeben wird. Dies widerspricht den bisherigen Erfahrungen mit temporären Mehrwertsteuer-Senkungen. Bisher sanken in solchen Fällen immer die Preise. Dies wird erst recht bei Lebensmitteln der Fall sein, die in Deutschland einem sehr starken Preis-Wettbewerb unterliegen.

Bürokratie als Grund gegen eine Steuersenkung

Die Senatsverwaltung führt Abgrenzungs-Schwierigkeiten gegen die Idee des Wegfalls der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel an. Das kann aber kaum ein Grund sein, nichts zu tun. Die entsprechenden Regeln müssen klar vom Gesetzgeber definiert werden. Daten darüber, welche Lebensmittel in Deutschland am häufigsten gekauft werden und somit als Grundnahrungsmittel zählen können, sind nicht schwer aufzutreiben – Kaviar muss sicherlich nicht dazu gehören. Es kommt hinzu, dass es bereits jetzt Einordnungstabellen bezüglich dem verminderten und dem 19-Prozent-Steuersatz bestehen.

Sicher ist das deutsche Mehrwertsteuersystem komplex und eine grundlegende Reform wäre auch kein schlechter Plan. Man muss das Mehrwertsteuersystem aber nicht verstehen, um den niedrigeren Preis an der Kasse zu merken.

Lieber einem Menschen zu viel helfen als einem zu wenig

Doch selbst wenn es zu einer Preissenkung kommen sollte, lehnt die grüne Finanzverwaltung eine Mehrwertsteuer-Reduzierung als „Gießkannenprinzip“ ab. Hierbei zeigt sich ein grundlegender Unterschied zwischen sozialdemokratischer und grüner Politik in Berlin. Ob beim 29€-Ticket, Kostenlos-Angeboten für alle wie gratis Schulessen, den kostenfreien Fahrschein für Schulkinder und die kostenlose Kita – die Grünen sind gegen einen starken Staat, der allen hilft. Sie setzten dabei andere Prioritäten als die SPD. Ich helfe lieber einem Menschen zu viel als einem zu wenig.

Weitere Mehrwertsteuer-Reduzierungen möglich

Zumindest rechtlich sind die Möglichkeiten für eine Mehrwertsteuer-Reduzierung für Lebensmittel gegeben – und das auch mit anderen Motiven als nur der Entlastungen von Bürger:innen. So antwortet die Finanzverwaltung, dass es möglich wäre, Lebensmittel, die besonders gesund oder klimafreundlich sind, mithilfe der Mehrwertsteuer günstiger zu machen. Die gleichen Gründe, die jedoch gegen eine flächendeckende Reduzierung sprechen, führt die Senatsverwaltung jedoch auch gegen solch eine zielgenaue Vergünstigung an. Gesunde und klimafreundliche Lebensmittel sollten günstiger als ihre Alternativen sein. Momentan sind etwa gesündere und klimafreundlichere Alternativen zu tierischen Lebensmitteln teuer als ein ‚normaler‘ Einkauf. Eine Mehrwertsteuer-Senkung wäre eine Möglichkeit, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen.