60 % der Berliner Notar:innen sind über 55 Jahre alt; Dreiviertel der ausgeschriebenen Stellen können schon jetzt nicht besetzt werden; große Ruhestandswelle steht bevor

Symbolbild: Berlin braucht mehr Notare

In einer Antwort auf eine Anfrage von mir stellt die Berliner Justizverwaltung die katastrophale Situation der Berliner Notar:innen dar. Insgesamt sind 274 der 637 Berliner Notar:innen über 60 Jahre alt und gehen damit in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Unter 40 Jahre sind dagegen lediglich 30 Notar:innen. Mit einem Anteil von über 60 % der Berliner Notare in einem Alter von über 55 Jahre muss jetzt also auf die Nachwuchsfrage ein besonderes Augenmerk gelegt werden.

AltersspanneAnzahl
31–35 Jahre:1
36–40 Jahre:29
41–45 Jahre:49
46–50 Jahre:94
51–55 Jahre:81
56–60 Jahre:109
61–65 Jahre:151
66–70 Jahre:123

Ob eine Ausschreibung für neue Notarstellen notwendig ist, entscheidet in Berlin die sogenannte Bedürfniszahl. Hierbei werden die verschiedenen Notarleistungen, die in Berlin durchschnittlich pro Jahr erbracht werden, gewichtet summiert und auf die Anzahl der Notare in Berlin geteilt. Wenn diese Bedürfniszahl mehr als 350 beträgt, werden neue Notarstellen ausgeschrieben. Zusätzlich werden zur „Wahrung einer geordneten Altersstruktur“ (Nr. 1, Absatz 1 AVNot) in jedem ungeraden Jahr 30 Stellen ausgeschrieben.

Dabei tun sich nun zwei Probleme auf: Es scheiden in den nächsten Jahren deutlich mehr Notar:innen aus als bisher. Ab nächstem Jahr sind es doppelt so viel, als durch die turnusmäßige Ausschreibung neu dazukommen würden. Ein Mangel an Notar:innen schlägt sich dann auch verzögert in einer hohen Bedürfniszahl wieder und führt somit zu weiteren Neueinstellung. Doch das Zweite wird ein großes Problem:  Es werden bereits jetzt die offenen Berliner Notarstellen kaum besetzt.

Altersbedingte Abgänge
2023 (Stand: 12.05.)15
202432
202535
202631
202732
202823

Nicht genug Notare bewerben sich

Nur jede vierte Stelle wurde in den vergangenen Jahren (2019–2021) besetzt. Die geringe Menge an Bewerber:innen führt nicht nur zu einem Mangel an Notar:innen, sondern macht auch eine Bestenauslese kaum möglich. Zudem ist die Ausbildung schwer und langwierig.

JahrAusgeschriebenBewerbungenBesetzt
20211136514
20201574125
20191298163

Die Notarkammer versucht dem Mangel durch Karriereveranstaltung entgegenzuwirken und unterstützt seit 2003 das „Institut für Notarrecht“ an der HU Berlin. Der Senat sieht jedoch keinen Mangel. Die Senatsverwaltung schreibt: „Das Bedürfnis nach einer angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen genießt bei der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz einen hohen Stellenwert. Derzeit wird unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen kein Handlungsbedarf gesehen.“

Die Justizverwaltung muss schnellstmöglich die Nachwuchsförderung in die Hand nehmen. Auch die Justiz steht vor den Herausforderungen des demografischen Wandels, der Notar:innen-Nachwuchs darf dabei nicht verschlafen werden. Dafür ist die Rolle, die Notar:innen in unserem Rechtssystem einnehmen, zu wichtig. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, sollten wir dabei auch die regional adäquate Verteilung beachten – Menschen in den Außenbezirken benötigen Notarleistungen ebenso wie in der Innenstadt.