Berlin in den Goldenen Zwanzigern in denen Lili Grün in der Stadt war

Übermorgen ist schon Frauentag und ich stelle heute im sechsten Teil meiner Reihe die Wiener Schriftstellerin und Schauspielerin Lili Grün vor.

Lili Grün wurde 1904 in Wien als Tochter eines Kaufmanns geboren. Sie verlor mit 11 Jahren bereits ihre Mutter an einen Schlaganfall, ein bedeutender Einschnitt in ihrem Leben. Wenige Jahre später 1922 starb auch ihr Vater, wodurch sie kurz vor ihrem 18. Geburtstag Waise wurde. Nach der Schule wurde sie zur Kontoristin (Bürotätigkeiten) ausgebildet. Sie nahm Schauspielunterricht und spielte 1920 vier Jahre lang am Wiener Deutschen Volkstheater. Zudem war sie an der Bühne der Sozialistischen Arbeiterjugend aktiv. Als Schauspielerin arbeitssuchend zog sie Ende der 20er-Jahre nach Berlin, wo es jedoch trotz der blühenden Kulturszene, nicht genug Anstellungen für Schauspielerinnen und Schauspieler gab. Sie schlug sich als Verkäuferin und Küchenhilfe durch und gründete mit zwanzig anderen Künstler:innen 1931 das politische Kabarett „Die Brücke“. Zudem veröffentlichte sie in mehreren Zeitungen kurze Lyrik- und Prosastücke.

Aufgrund ihrer schlechten Lebensumstände erkrankte sie an Tuberkulose und kehrte in der Hoffnung auf eine Heilung nach Wien zurück. Dort schrieb sie ihren, auf ihre Berliner Zeit basierenden, ersten Roman „Herz über Bord“. Sie arbeitete an weiteren Büchern, musste Österreich aufgrund der sich zuspitzenden politischen Situation jedoch verlassen. Zuerst nach Prag, dann nach Paris. Dort ging es ihr gesundheitlich immer schlechter und das Geld war auch weiterhin knapp. Ihr Verlag organisierte eine Spendenaktion, um ihr einen Kuraufenthalt zu ermöglichen. Sie kehrte nach Wien zurück und veröffentliche 1935 und 1936 zwei weitere Bücher.

Lili Grün wurde als Jüdin verfolgt und ermordet

1938 wurde Österreich Teil des Dritten Reichs und als Jüdin durfte Lili Grün fortan nicht mehr als Schriftstellerin arbeiten. Um auszureisen, fehlte ihr das Geld und war sie zu krank. Immer weiter sich verschärfende Repressionen zwangen sie mehrmals umzuziehen. 1942 wurde sie aus Wien nach Minsk deportiert. Lili Grün wurde am 1. Juni 1942, am Tag ihrer Ankunft im Vernichtungslager Maly Trostinez, ermordet. Gemeinsam mit etwa 80 anderen Opfern wurden ihre sterblichen Überreste in ein Massengrab verscharrt.

Ihre Bücher sind im Stil der Neuen Sachlichkeit geschrieben, zu dem unter anderem Brecht, Kästner oder Tucholsky gehören. Ihre Texte sind autobiografisch über das Leben als Frau in der Umbruchzeit der Weimarer Republik.

Lili Grüns bekanntestes Werk „Herz über Bord“ erschien am 16. März 1933, wenige Tage vor dem Beschluss über das Ermächtigungsgesetz der Nazis und damit dem Ende der ersten deutschen Demokratie. Das Buch erschien lediglich in einer Auflage von 3000 und war dann über lange Zeit praktisch unbekannt. Erst als die Publizistin Anke Heimberg 2009 auf der Suche nach Autorinnen der Goldenen Zwanziger eine Ausgabe des Buches auf einem Flohmarkt entdeckte, erhielt das Buch wieder Aufmerksamkeit. Heimberg forschte nach Lili Grüns Werke und Leben und gab ihre Bücher erneut heraus. So wurde Grün einer weiteren Öffentlichkeit bekannt.

2017 wurde auf Initiative der SPD der Lili-Grün-Weg nördlich der Grottkauer Straße eingeweiht.