Im Februar 2024 hat der Senat die Berliner Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit (Tilgungsverordnung) geändert. Hintergrund der Berliner Änderung war, dass seinerzeit die Ampel-Regierung zum 01. Februar 2024 eine Reform des Umrechnungsmaßstabes für Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 43 StGB beschlossen hat. Seit dieser bundesweiten Änderung entsprechen zwei Tagessätze einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe – nur noch halb so viel wie zuvor. Um eine Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden, können Verurteilte ihre Strafe jedoch auch im Rahmen des Projekts „Arbeit statt Strafe“ abarbeiten. Im Detail habe ich hierzu bereits im März 2024 berichtet.

Vor der in Kraft getretenen bundesweiten Änderung galt in Berlin die Besonderheit, dass ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe auch mit vier Stunden freier Arbeit abgegolten ist. In den übrigen Bundesländern erfolgte die Abgeltung erst bei sechs Stunden freier Arbeit. Der Berliner Senat verfolgte mit der Absenkung auf vier Stunden seinerzeit unter anderem das Ziel, die Belastung der Arbeit abzuschwächen, um mehr Menschen eine Beteiligung zu ermöglichen.

Seit Februar 2024 gilt in Berlin wieder: sechs Stunden freie Arbeit für einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe

Durch die bundeseinheitliche Absenkung und die Berliner Regelung der Umrechnung durch freie Arbeit wären Verurteilte in Berlin doppelt begünstigt worden. Daher wurde im Zuge der Bundesregelung auch die Berliner Tilgungsverordnung neu angepasst. Seit dem 27. Februar 2024 ist ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe wieder mit sechs Stunden freier Arbeit abgegolten. Vor dem Hintergrund des Berliner Änderungsverfahrens bestand die SPD insbesondere auf eine Anpassung der Härtefallregelung in der neuen Tilgungsverordnung.

Gerade für Menschen, die nicht in der Lage sind, sechs Stunden täglich zu arbeiten, muss es eine Möglichkeit der Stundenreduzierung auf drei Stunden geben. Auf diese Möglichkeit müssen Verurteilte nun seit dem 27. Februar 2024 auch explizit hingewiesen werden. Wie die Hinweise auf die Härtefallregelung erfolgen und wie sich die Vollstreckung von Geldstrafen im Land Berlin generell entwickelt haben, habe ich nun in einer schriftlichen Anfrage erfragt.

2024: Rekordtief an abgegoltenen Geldstrafen

Dabei fiel auch unter Berücksichtigung zweier vorheriger Anfragen meines Kollegen Sebastian Schlüsselburg (vom 13. Dezember 2021 und vom 27. Februar 2024) auf, dass es im Jahr 2024 ein Rekordtief bei abgeschlossenen Geldstrafenverfahren in Berlin gibt.

Seit dem Höchststand abgeschlossener Geldstrafenverfahren 2018 (über 40.000 Verfahren) sank die Anzahl bis 2024 kontinuierlich auf fast die Hälfte ab (21.128 Verfahren).

Die Gründe hierfür können vielschichtig sein. Grund können sowohl der geringere Zufluss und die längere Verfahrensdauer, aber auch die Reformen und die Umstellungslast sein.

Geldstrafen werden meistens (wenn auch schwankend) abbezahlt – Mischformen aus Zahlung/freier Arbeit/Ersatzfreiheitsstrafe werden häufiger

Von den insgesamt 21.128 abgeschlossenen Geldstrafenverfahren wurden 2024 über 15.000 Verfahren durch Zahlung abgegolten. Damit ist die Zahlung als Erledigungsart weiterhin die häufigste ihrer Art. Gleichwohl unterlag die reine Zahlung als Erledigungsart zwischen 2015 und 2024 zum Teil erheblichen Schwankungen. 2018 und 2029 endeten so 92 % aller Geldstrafeverfahren so. 2020 bis 2024 nur 65 bis 71 % aller Verfahren.

Immer häufiger nehmen Verurteilte für die Begleichung der Geldstrafe auch „Mischformen“ in Anspruch. Also beispielsweise durch teilweise Zahlung und Ableistung freier Arbeit oder/und Ersatzfreiheitsstrafen. Erfreulich ist, dass die Mischform „Zahlung und freie Arbeit“ aber auch die reine Form der Ableistung in freier Arbeit seit 2020 auf konstantem Niveau bleibt. Zum Stichtag 21. August 2025 gibt es in Berlin 311 Beschäftigungsstellen für das Ableisten von freier Arbeit.

Keine Abbruchs- oder Erfolgsstatistiken

Ich habe gefragt, wie sich die Änderung des Umrechnungsmaßstabes in Berlin von vier auf sechs Stunden nach der Änderung der Tilgungsverordnung ausgewirkt hat. Dabei interessierten mich insbesondere Abbruchzahlen, Haftzeitverkürzungen und eingesparte Hafttage. Der Senat konnte dazu jedoch keine statistisch belastbare Antwort geben. Der Grund: Zu zentralen Wirkungskennzahlen der freien Arbeit – etwa Entlastung, Abbruchs- und Erfolgsquoten – führt Berlin keine Statistik. Das ist bedauerlich.

Auch werden bei der Berliner Staatsanwaltschaft keine Statistiken zur Entlastung der Justizvollzugsanstalten geführt. Und bei diesen wiederum keine Statistiken über die Inanspruchnahme der Maßnahme „Arbeit statt Strafe“. Auch hier sehe ich zumindest ein schlankes, aber verbindliches Monitoring als erforderlich an. Damit ließe sich die freie Arbeit für Verurteilte in Berlin ernsthaft stärken. Erst wenn Zahlen vorliegen, können im Land Berlin gezielt Hürden abgebaut werden.

Härtefallregelung leider ohne Evidenz

Verurteilte werden nach Angabe des Senats in Fachvermittlungsstellen in Einzelberatungen „auf die Möglichkeit einer Ableistung der Arbeitsleistung im Sinne der Härtefallregelung (…) hingewiesen“. Doch auch die beantragten und letztlich anerkannten Härtefallkonstellationen (also die Fälle, in denen in besonderen Konstellationen die Umrechnung von sechs auf drei oder vier Stunden freie Arbeit erfolgt) erfasst die Berliner Staatsanwaltschaft nicht. Ebenso wenig die Gründe für die jeweiligen Härtefälle. Die statistische Erfassung der beantragten und genehmigten Härtefallregelungen halte ich für unbedingt erforderlich. Sonst lässt Berlin die Wirkung der eigenen Härtefall- und Hinweisregelung faktisch im Dunkeln. Ohne belastbare Zahlen ist kaum nachvollziehbar, ob und für wen die erleichterte Umrechnung (von sechs auf drei oder vier Stunden) tatsächlich ankommt und wirkt.