Ich danke allen Frauen, die sich im Alltag als die wahren Heldinnen unserer Gesellschaft immer wieder und immer mehr beweisen müssen. Mit dem Frauentag allein ist es nicht getan. Täglich müssen wir acht geben, dass wir alles für eine gleichberechtigte Gesellschaft tun, damit Chancen für alle gleich sind.

Ich hatte dazu in der Vorwoche die Frauen vorgestellt, nach denen Straßen und Plätze in Kaulsdorf und Hellersdorf benannt sind. Diese Frauen waren Deutsche und leben nicht mehr.

Ich blicke gern über den Tellerrand. Deshalb möchte ich den Blick auf Frauen nicht nur in Deutschland, sondern in anderen Teilen der Welt lenken. Einige, die sich dem Ziel einer gleichberechtigte Welt verschrieben haben, möchte ich anlässlich des Frauentags 2021 besonders erwähnen. Sie sollen beispielgebend sein, für den aufopferungsvollen Kampf, wie er heute noch geführt wird.

Diese fünf heute in allen Teilen der Welt aktiven Frauen sind:

Agnes Chow – eine „Goddess of democracy”

Es herrscht Spannung im Gerichtssaal am 1. Dezember 2020. Die Richter verurteilen die Aktivistinnen und Aktivisten der Hongkonger Protestbewegung Joshua Wong, Ivan Lam und Agnes Chow werden zu mehrmonatigen Haftstrafen. Agnes Chow wird zu zehn Monate Haft verurteilt. Das Regime in Peking reagiert zunehmend nervöser auf die widerständige Protestkultur in der ehemaligen britischen Kronkolonie. Seit dem 1. Januar 1995 gehört das Gebiet wieder voll zur Volksrepublik China. Es hat allerdings noch einen Sonderstatus. Die Richterin macht dann auch deutlich, dass nur durch Freiheitsstrafen der gewünschte Abschreckungseffekt zu erreichen ist.

Trotz ihrer 23 Jahre ist Agnes Chow bereits eine bekannte Größe in der Hongkonger Demokratiebewegung. Bereits 2012 protestiert sie mit ihren Mitstreitern gegen einen Lehrplan, der den Kindern und Jugendlichen an Hongkongs Lehreinrichtungen „chinesischen Patriotismus“ eintrichtern soll. Das empfinden die jungen Leute als eine unzumutbare Gehirnwäsche. In den folgenden Jahren tut sich Agnes Chow immer wieder als eine führende Aktivistin bei Protesten hervor.

Das aktuelle Urteil bezieht sich auf die Belagerung des Polizeipräsidiums durch Demonstranten am 21. Juni 2019. Sie haben damit gegen die Gewalt der Ordnungshüter protestiert. Die Aktivisten orientieren sich nicht mehr an Führungsfiguren, sondern handeln spontan. Allerdings ist auch von gedungenen „agent provocateurs“ des Regimes in Peking unter den Protestierenden ist die Rede. Mehr Infos bei Wikipedia.

Saalumarada Thimmakka – Frauenrechtlerin und Umweltaktivistin in Indien

Indien – ein Land mit 1,4 Milliarden Menschen – ist ein Land der Gegensätze. Auf der einen Seite eine Raumfahrtnation und ein Pionier in Sachen IT-Technik, dazu eine uralte Kultur, die jeden, der das erste Mal mit ihr in Berührung kommt, in den Bann zieht. Auf der anderen Seite gibt es bis heute immer wieder Schreckensmeldungen über Misshandlungen, Vergewaltigungen und Morde an Frauen, die nicht dem Bild der patriarchalischen Gesellschaft entsprechen. Auch Kinderreichtum gehört zur Norm. Wenn eine Frau dieser Norm nicht entspricht, wird sie stigmatisiert und verfolgt.

Eine dieser Frauen ist Saalumarada Thimmakka. Sie kommt 1911 in einem abgelegenen Dorf in Südindien zur Welt. Die Dorfbewohner kolportieren, dass sie keine Kinder bekommen kann. Daraufhin erfährt sie nicht etwa Zuspruch und Hilfe. Die Kinderlosigkeit wird ihr als persönlicher Makel ausgelegt, der sie aus der Gemeinschaft ausschließt. Saalumarada Thimmakka erfährt Benachteiligungen und Anfeindungen. Doch sie ist nicht bereit, sich einfach in ein Schicksal als Ausgestoßene zu fügen und nimmt die Herausforderung an: „Es war wohl mein Schicksal, keine Kinder zu haben. Aus diesem Grund planten wir, Bäume zu pflanzen, sie aufzuziehen und gesegnet zu sein. Wir haben die Bäume wie unsere Kinder behandelt.“

Saalumarada Thimmakka ist inzwischen 110 Jahre alt und hat in ihrem Leben mehr als 1000 Bäume gepflanzt. So hat sie ihr persönliches Schicksal zur Umweltaktivistin werden lassen. Sie meldet sich immer wieder gegen die Auswirkungen der Klimakrise zu Wort und ist Trägerin zahlreicher nationaler und internationaler Auszeichnungen. Mehr Infos bei Wikipedia.

Loujain al-Hathloul – für Frauen am Steuer in Saudi-Arabien

Saudi-Arabien hat seinen Namen von der Herrscherfamilie Saud. Ihr gehört faktisch das Land als Privatbesitz. Das Land ist eine aristokratische Feudaldiktatur, in der die Familie Al Saud und 500 Prinzen unumschränkt herrschen.

Als Verfassung dienen der Koran und die Sunna. Der König regiert in Einklang mit der Scharia, dem islamischen Recht. Die Kultur Saudi-Arabiens ist von einer besonders strengen Auslegung des Islam, dem Wahhabismus, geprägt. Dies führt noch einmal zu besonderen Einschränkungen für die Frauen.

Das bekommt auch Loujain al-Hathloul zu spüren. Polizissten verfahten sie im Jahr 2018, als sie sich ohne Genehmigung an das Steuer eines Autos setzt. Denn damit setzt sie sich über das Fahrverbot für Frauen hinweg. Nur einige Tage später hebt Kronprinz Muhammad Bin Salman dieses Verbot auf. Trotzdem muss Loujain al-Hathloul 1001 Tage in Haft verbringen. In ihrem Land ist es ein Frevel, die eigenen Grundrechte einzufordern. Vorgesehen ist, dass die Menschen wartet, bis die Staatsmacht sie von oben gewährt werden.

Die Aktivistin wird in der Haft misshandelt. Sie protestiert ab Oktober 2020 mit einem Hungerstreik gegen die unmenschlichen Haftbedingungen. Ihr Fall erregt auch internationales Aufsehen, viele Menschen solidarisieren sich mit ihr. Loujain al-Hathloul wird am 10. Februar 2021 gegen Auflagen entlassen. So darf sie nicht über ihre Haftbedingungen sprechen und erhält ein fünfjähriges Ausreiseverbot. Dem Regime ist eine schweigende Loujain al-Hathloul lieber, als eine Märtyrerin im Gefängnis, die immer wieder für Aufsehen sorgen würde. Mehr in einem Taz-Beitrag und bei Wikipedia.

Nasrin Sotudeh – Menschenrechts-Aktivistin im Iran

Die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Nasrin Sotudeh wird am 30. Mai 1963 in Teheran geboren. Sie schließt 1995 ihr Jurastudium ab und muss anschließend acht Jahre auf ihre Zulassung als Anwältin warten. Den herrschenden Mullahs in der Islamischen Republik Iran sind Frauen in der Rechtsprechung äußerst suspekt.

Nasrin Sotudeh vertritt die Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi und kämpft immer wieder gegen die oftmals grausame Unterdrückung von Frauen in ihrer Heimat. Sie setzt sich für minderjährige Straftäter in Todeszellen und Oppositionelle ein. Oft kann die Anwältin nicht einmal Kontakt zu ihren Mandanten aufnehmen und muss ohnmächtig sogar deren Hinrichtung zur Kenntnis nehmen. Bei Protesten und Demonstrationen gegen die Willkürherrschaft der Mullahs ist sie dabei. Deshalt entzieht ihr das Regime den Reisepass und verurteilt sie zu Haftstrafen. Sie wehrt sich, indem sie immer wieder in den Hungerstreik tritt.

Das Schicksal von Nasrin Sotudeh beschäftigt auch die internationale Öffentlichkeit. Sogar das Europäische Parlament schaltet sich ein, fordert 2011 energisch ihre Freilassung und verhängt Sanktionen gegen die Islamische Republik. Am 18. September 2013 wird sie mit anderen Menschenrechtsaktivisten aus der Haft entlassen.

Als Nasrin Sotudeh an der Verteidigung von zwei jungen Frauen arbeitet, die gegen den Kopftuchzwang protestiert haben, wird sie am 13. Juni 2018 ohne ihr Wissen in Abwesenheit zu fünf Jahren Haft verurteilt und anschließend erneut verhaftet. Am 6. März folgt ein Urteil zu 33 Jahren Haft und 148 Peitschenschlägen. Nasrin Sotudeh tritt erneut in den Hungerstreik, den sie 50 Tage durchhält. Sie erhält anschließend zwar Hafturlaub. Der Hafturlaub wird aber nicht verlängert. Damit ist sie an der Entgegennahme des Alternativen Nobelpreises gehindert. Weitere Infos bei Wikipedia.

Leyla Güven – kurdische Politikerin

Die kurdische Politikerin Leyla Güven wird am 6. Mai 1964 als jüngstes Kind einer neunköpfigen traditionellen kurdischen Großfamilie in Zentralanatolien geboren. Wie es der Brauch will, wird sie bereits in sehr jungem Alter verheiratet. Anschließend lebt sie mit ihrem Ehemann ab 1980 fünf Jahre in Deutschland. Später lässt sie sich scheiden und kehrt in ihren Heimatort Konya zurück. Dort nimmt sie ihren Mädchenamen wieder an. Ihre Umgebung setzt sie deshalb unter Druck, sich erneut zu verheiraten.

Im Jahr 1994 tritt Leyla Güven in die kurdische Organisation HADEP ein und wird Vorsitzende von deren Frauenverband.

Leyla Gülen engagiert sich vor allem für die Rechte von Frauen und wird 2009 zur Bürgermeisterin von Viransehir gewählt. Zu dieser Zeit sitzt sie wegen ihres Engagements für die Rechte der Kurden bereits fünf Jahre in Haft. Erst 2014 wurde sie entlassen. Im Jahr 2018 wird Leyla Gülen wegen kritischer Äußerungen zur Operation Olivenzweig gegen kurdische Freischärler erneut verhaftet.

Man wirft ihr eine ideologische Nähe zum inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan vor. Trotz ihrer Inhaftierung erringt sie im selben Jahr ein Mandat im türkischen Parlament. Das Gericht ordnet zunächst ihre Freilassung an, die auf Einspruch der Staatsanwaltschaft wieder kassiert wird. Leyla Gülen tritt mehrmals in den Hungerstreik. Am 25. Januar 2019 verfügt ein Gericht ihre Freilassung und begründet die Entscheidung mit ihrem schlechten Gesundheitszustand. Weitere Infos bei Wikipedia.

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