In der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses habe ich unter anderem über das wichtige Thema Suizidprävention in den Berliner Gefängnissen gesprochen.
Hier das Video zur Rede und darunter als Text.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde bereits viel Richtiges über die Bedeutung dieses Themas gesagt, und ich möchte Frau Dr. Vandrey ausdrücklich danken: Streit auf offener Bühne hier zu diesem Thema gehört sich nicht. Es ist viel zu ernst.
Doch es wird sicherlich auch einige geben, die sich denken: Alles schön und gut, aber warum müssen wir uns unbedingt um die Verbrecher kümmern? Sollten wir uns nicht erst um andere Gedanken machen? – Diese Einstellung ist leider weit verbreitet, und viel zu oft werden Strafgefangene als Außenseiter betrachtet, mit denen wir nichts zu tun haben wollen.
Zusätzlich ist auch ein unterschwelliges „Sie haben es ja verdient“ im Spiel, als wären sie nicht genauso wie wir Bewohnerinnen und Bewohner unserer Stadt. Sie waren unsere Nachbarinnen und Nachbarn mit Freundeskreisen, Familien und Arbeitskollegen. Sie sind wie wir alle unschuldig auf diese Welt gekommen und durch jede Menge Umstände, an denen auch wir alle mitgestalten können, zu dem geworden, was sie sind, was sie waren. Ja, sie sind verantwortlich für ihre Taten, aber weder verlieren die Strafgefangenen dadurch die Menschlichkeit oder die Menschenwürde, noch sollten wir unser Mitgefühl ihnen gegenüber verlieren.
Der Staat hat, wenn er so tiefgehend in die individuelle Freiheit eines Einzelnen eingreift und einen Menschen einsperrt, zunächst auch eine Fürsorgepflicht. Zweitens ist es auch wichtig, sich vor Augen zu führen, warum wir Menschen eigentlich einsperren. Das ist nämlich nicht Selbstzweck und auch nicht Rache. Nein, wir möchten, dass die Straftäterinnen und Straftäter wieder ein gesetzestreuer Teil unserer Gesellschaft werden. Wir möchten Ihnen dabei helfen. Das ist der Ansatz, und wenn sich die mentale Gesundheit von Häftlingen in den Gefängnissen noch verschlechtert, ist eine Wiedereingliederung in den Alltag naturgemäß noch schwerer.
Dritter Punkt ist die wichtige Frage, warum wir Strafgefangenen mit psychischen Problemen überhaupt helfen sollten. Ganz einfach: weil wir es können. Wir müssen uns fragen, was für eine Gesellschaft wir sein wollen. Unabhängig von ihren Verbrechen sind sie unsere Mitmenschen, denen es schlecht geht und denen wir helfen können, sollten und müssen.
Die Gründe, warum die mentale Gesundheit in Haft häufig leidet, sind vielfältig – Frau Dr. Vandrey hat gerade eine große Aufzählung gemacht, andere auch schon – die Isolation vom sozialen Umfeld, oft nicht nur durch die Mauern, sondern auch durch Ausgrenzung, soziale Ächtung, die Scham, das Bedauern über das Verbrechen und die Strafe, die Angst vor dem fremd gewordenen Leben außerhalb des Gefängnisses oder vor einer langen Haftstrafe. Und natürlich sind bereits viele Menschen psychisch krank, bevor sie verurteilt werden.
Wie der Antrag richtig ausführt, gibt es bereits Konzepte zur Suizidprävention, die evaluiert und bei Bedarf erneuert werden. Wir werden im Ausschuss darüber reden, und wir werden mit diesem Antrag verfahren. Ich denke, wir werden uns auch die sieben Punkte von Herrn Schlüsselburg, die er gerade erwähnt hat, vorlegen lassen und darüber ernsthaft diskutieren. Gestern im Rechtsausschuss haben wir das Thema auch auf der Tagesordnung gehabt, und ich bin Frau Senatorin dankbar, dass sie berichtet hat, dass der erste Suizidpräventionsraum im Bau und beinahe fertig ist.
Zum Schluss: Als Mitglied des Rechtsausschusses erhalte ich auch regelmäßig die schon genannte Belegungsstatistik der Berliner Justizvollzugsanstalten. Und darin enthalten ist auch die Zahl der verstorbenen Häftlinge. Als Berliner Abgeordnete, die Verantwortung für alle in Berlin Inhaftierten tragen, sollten wir uns immer bewusst machen, was hinter dieser Statistik, hinter diesen Zahlen steht: Es sind Schicksale, es sind komplizierte, oft schwierige Lebensgeschichten und im Falle der Verstorbenen eine Menge verwehrter Zukunft. Das sollten wir nicht vergessen. – Vielen Dank!