Ambitionierte Radschnellweg-Idee ist durch Fachkräfte-Mangel bedroht
Auf einer öffentlichen Informationsveranstaltung hat die Senatsverkehrsverwaltung die Pläne für eine Ost-West-Radschnellverbindung vorgestellt.
Sie soll vom U-Bahnhof Hönow und damit von der Grenze zum brandenburgischen Landkreis Märkisch-Oderland bis nach Spandau an die Stadtgrenze nach Dallgow-Döberitz führen. Dabei wird sie die Hälfte der Berliner Bezirke durchqueren. In Marzahn-Hellersdorf geht es dann über die Helle Mitte, die Hellersdorfer Straße, die Eitelstraße und die Allee der Kosmonauten. Damit werden ungefähr 513.000 Anwohnerinnen und Anwohner unmittelbar erreicht. Die Planer gehen davon aus, dass 6.700 davon dauerhaft auf das Fahrrad umsteigen. Dadurch sollen 1 Million Kilo CO₂ im Jahr eingespart werden. Insgesamt wird die Strecke 38,3 Kilometer lang. Drei Viertel führen an vorhandenen Hauptverkehrsstraßen entlang und werden baulich vom Autoverkehr abgegrenzt. Die Wege werden nachts beleuchtet sein.
In zweieinhalb Stunden von der Stadtgrenze zur Stadtgrenze
Mit etwa 15 km/h ließe sich die gesamte Ost-West-Route in etwa zweieinhalb Stunden zurücklegen.
Jan Lehmann, Abgeordneter für Kaulsdorf und Hellersdorf: „Ich fahre selbst regelmäßig mit dem Rad aus Marzahn-Hellersdorf zum Abgeordnetenhaus in Mitte. Ich freue mich sehr darüber, dass es eine bessere Verbindung in die Stadtmitte und sogar bis nach Spandau geben wird. Damit wächst die Stadt weiter zusammen. Klimafreundlicher Verkehr wird sicherer und schneller.“
Ohne Radplaner kein Radplan
Doch der schöne Plan hat einen Makel: Überall in Berlin fehlt es an den entsprechenden Expertinnen und Experten. Aktuell beschreibt ein offener Brief der Radverkehrsplaner:innen und Radverkehrsingenieur:innen der Bezirke das Problem.
Denn um die vom Senat vorgesehenen 2.400 Kilometer Radnetz in Berlin bauen und betreuen zu können, ist viel komplizierte Planung und Arbeit notwendig. Ohne die Erfahrung und entsprechendes Fachwissen, das in einem Studium zu erwerben ist, ist das Ganze nicht machbar. Doch die Bezirke bezahlen die Radverkehrsplanerinnen und -planer oft nur mit der Entgeltstufe E11, teils mit E10, während die Landesverwaltungen E13 oder E14 anbieten. Gerade jetzt sind zwei solche Stellen in Tempelhof-Schöneberg und Mitte mit E11 ausgeschrieben. Sie sind damit nicht annähernd wettbewerbsfähig mit den Gehältern der Privatwirtschaft, wo Bauleiter ebenfalls hoch nachgefragt sind und auch nicht mit den Gehältern, die die Landes- oder gar Bundesverwaltungen zahlen.
Um die lange unbesetzten Stellen in Marzahn-Hellersdorf in diesen Bereich zu besetzen, hatte der Bezirk einen Erfahrungsbonus von 1.000 € zusätzlich ausgelobt, doch dies ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein und war keine nachhaltige Lösung. In Marzahn-Hellersdorf gibt es immer noch keine entsprechenden Stellenbesetzungen.
Lehmann dazu: „Wenn Stellen nicht besetzt werden, werden die Planungen oft für viel Geld extern vergeben. Wir müssen Kompetenz in der Verwaltung nachhaltig aufbauen, um unsere ehrgeizigen Ziele erreichen zu können. Eigentlich soll es nach dem Mobilitätsgesetz in jedem Bezirk zwei Stellen für die Radverkehrsplanung geben. Dies sind zwar gute Vorgaben, die aber nicht ausreichend mit Geld unterlegt sind. Hohe Ziele setzen ist schön und gut, jetzt geht es aber schon seit Jahren um die Umsetzung und da mangelt es leider immer noch an Geld und daher auch an Fachkräften. Den Bezirken sollten ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die Radverkehrs-Profis anzuziehen und angemessen zu bezahlen. Eine höhere Entgeltgruppe für die Tätigkeiten wäre dafür eine Möglichkeit.“