Am 26. Januar hatte ich zum Datenschutzbericht 2020 gesprochen. Hier ist der Test der Rede im Wortlaut nach der Mitschrift des Abgeordnetenhauses (Teil 1 und Teil 2). Hier als kurzes Video ist zu sehen mein Rüffel durch die Präsidentin des Abgeordnetenhauses: die „Schnuller-Nazis der AfD“ sind unparlamentarisch. Ich denke, damit können wir leben. Und hier ist noch der Link zum Video der Rede.

Meine Rede im Wortlaut

„Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berlinerinnen und Berliner!

Letzte Woche hat der Senat zwar seine Stellungnahme zum Bericht der Datenschutzbeauftragten beschlossen, aber für den Bericht 2021.Wir sprechen heute über den Bericht von 2020. 2020 stand an meiner Stelle hier noch der Kollege Kohlmeier, der sicherlich dem einen oder anderen in liebevoller Erinnerung geblieben ist.

Quelle: RBB – https://www.rbb-online.de/imparlament/berlin/2023/26–januar-2023/26–januar-2023—25–Sitzung-des-Berliner-Abgeordnetenhauses/stellungnahme-datenschutz0.html

Auch die Datenschutzbeauftragte war da noch eine andere. Dann gab es lange keine Datenschutzbeauftragte. Genau deswegen hat dieser Bericht auf unser To-do-Liste gewartet, denn wir wollten das nicht abschließend behandeln, ohne eine politisch legitimierte Stimme für den Datenschutz dabeizuhaben. Genau diese haben wir jetzt mit Frau Kamp als neuer Datenschutzbeauftragten.

Es ist ein wichtiges Symbol, dass das Parlament auch mitten im Wahlkampf die Gelegenheit nutzt, ausführlich über den Datenschutz zu reden, denn dabei geht es um ganz grundlegende Werte.

Wie viel darf der Staat über seine Bürgerinnen und Bürger wissen? Welche Grenzen setzen wir Unternehmen beim Datensammeln? Und: Welche Grenzen setzen wir

Populisten? Welche Grenzen setzt man zum Beispiel der Berliner CDU und den Schnuller-Nazis von der AfD bei der Frage nach den Namen von Silvester-Chaoten? Auch hier geht es neben rassistischen Ressentiments auch um Datenschutz. Auch hier geht es neben rassistischen Ressentiments auch um den Datenschutz, wie die Innenverwaltung von Senatorin Spranger ganz zu Recht Anfang dieser Woche darstellte.

Einige denken vielleicht auch: Gibt es in Zeiten von Krieg und Krisen nichts Wichtigeres? – Nein! Im 21. Jahrhundert stehen wir vor vielfältigen und großen Herausforderungen. Eine davon ist eben genau unser Umgang mit der Digitalisierung, mit der künstlichen Intelligenz und dem Datenschutz.

So verschiebt sich zum Beispiel die Macht in der Welt, und China positioniert sich als neuer Gegenpol zu unseren Demokratien. Anstatt die Daten Einzelner vor Übergriffen zu schützen, stehen dort Totaldigitalisierung und Totalüberwachung auf der Tagesordnung. Jedes Verhalten wird getrackt und bewertet; eine Privatsphäre gegenüber dem Staat existiert nicht. So etwas dürfen wir als Demokraten hier nicht zulassen, zum Schutze unserer Bürgerinnen und Bürger.

Dass wir das aber auch bei uns ernst nehmen müssen, zeigt die aktuelle Diskussion über die Kontrolle sämtlicher Chatgespräche, also die Chatkontrolle. Hier werden wir verhindern müssen, dass Grenzen überschritten werden. Dann gibt es außerdem die Gefahr, die von quasi monopolistischen, großen Unternehmen ausgeht. Für ein profitorientiertes Unternehmen spielt es keine Rolle, was Datenschutz ist; er ist nur hinderlich. Es ist an der Politik, es ist an uns, hier Grenzen zu setzen. Die neuen Vorschriften der Europäischen Union sind wichtige Bausteine dafür, mit denen das teilweise schon gelungen ist.

Wir können auch mit Datenschutz zeigen, dass wir die Rechte Einzelner wahren und zugleich erfolgreiche Digitalunternehmen etablieren können. Dem rot-grün-roten Berlin mit den deutschlandweit meisten Start-ups kommt dabei eine besondere Rolle zu.

Kommen wir zum Datenschutzbericht 2020. Viele Themen sind nach wie vor aktuell; Frau Kamp hat schon einige erwähnt. 2020 geriet der Einsatz von Videokonferenzen in den Fokus der Datenschützer; auch das hat Frau Kamp angedeutet. Videokonferenzen gehörten aus bekannten Gründen plötzlich für viele von uns zum Alltag. In Zusammenarbeit mit den Anbietern konnten die diversen Datenschutzmängel ausgeräumt werden, ein zentraler Mangel jedoch nicht: die Datenverarbeitung durch US-Unternehmen, selbst wenn diese auf Servern in Deutschland oder Island erfolgt. Nach den Schrems-II-Urteilen ist damit ein datenschutzkonformer Einsatz der meisten US-Videodienste bisher kaum möglich. Ohne zu weit auszuholen, kann gesagt werden, dass dieser Konflikt eine längere Geschichte hat; Frau Kamp hat ihn aufgezeigt.

Zwei Abkommen zwischen den USA und der Europäischen Union sind vom Europäischen Gerichtshof für unzureichend erklärt worden, und seit März letzten Jahres wird an einem neuen Angemessenheitsbeschluss gearbeitet. Wir werden sehen, ob Brüssel unsere Erwartungen erfüllt und welche Folgen das dann für uns in Berlin haben wird.

Das zweite Thema, das nach wie vor aktuell ist, ist die Zusammenarbeit mit der Polizei bei Fragen des Datenschutzes. Auch das hat Frau Kamp angesprochen. Immer wieder beschwert sich die Datenschutzbeauftragte über die mangelhafte Kontrolle der Polizei und über zu wenig Kontrollrechte auf diesem Gebiet. Wir haben in Berlin, und das gilt für ganz Deutschland, das Gleichgewicht zwischen einem starken Datenschutz und effektiver Polizeiarbeit noch nicht ganz gefunden.

Die immer wiederkehrenden Probleme zeigen, wie schwierig es ist, erstens den Datenschutz von Bürgerinnen und Bürgern, zweitens die wichtige Arbeit der Sicherheitsbehörden und drittens die notwendige Kontrolle durch die Datenschutzbeauftragten in Einklang zu bringen. Aber auch hierfür wird in Berlin mit Rot-Grün-Rot eine Lösung gefunden werden.

Schließlich ein dritter Punkt: Immer neue Technologien wie zum Beispiel die der künstlichen Intelligenz sorgen dafür, dass Datenschutz nie abschließend geregelt sein kann. Unser Auftrag als Gesetzgeber ist es aber, dennoch moderne und klare Regeln festzulegen, die zeitgemäß sind, und auch das kann die Berliner Koalition aus SPD, Grünen und Linken.

Auch schon 2020 erwähnt ist das Ringen um eine neues Transparenzgesetz für Berlin; auch das hat Frau Kamp angesprochen. Was die Verwaltung weiß, sollen natürlich auch die Berlinerinnen und Berliner wissen. Die Verwaltung soll transparent, und ihre Daten sollen für alle zugänglich sein. Dazu konnten wir in den vergangenen Monaten gute Fortschritte erzielen. Das wurde leider durch die vermutlich anstehenden Wiederholungswahlen unterbrochen. Ich bin mir aber sicher, dass wir nach dem 12. Februar daran weiterarbeiten und mit der rot-grün-roten Koalition das Transparenzgesetz noch dieses Jahr als Erstes angehen werden. So weit zum Datenschutzbericht 2020.

Gerne würde ich noch die Gelegenheit nutzen, etwas gegen den etwas schlechten Ruf des Datenschutzes zu tun. Ich habe zwei Punkte herausgesucht, die ich beispielhaft aufzeigen möchte.

Der erste ist, dass der Datenschutz nicht im privaten Umfeld gilt. Ja, es gibt natürlich die sogenannte Haushaltsaufnahme; niemand muss sich Sorgen machen, wenn er die Telefonnummer, die Adresse oder ein Geburtsdatum von einem Freund aufschreibt. Aber auch im privaten Bereich sollten wir Vorsicht walten lassen, wenn wir mit personenbezogenen Daten von Dritten hantieren. Wenn ich zum Beispiel Menschen mit einer Dashcam im Auto oder mit einer Überwachungskamera mein Grundstück filme, muss ich die Datenschutzregeln kennen und beachten. Auch wenn ich einer App mal schnell erlaube, meine Kontakte zu durchsuchen, gebe ich damit die Erlaubnis zum Zugriff auf fremde Daten – und das ohne Zustimmung der betroffenen Personen. Gleiches gilt, wenn ich E-Mails mit einem großen Verteiler offen verschicke. Im Zweifel gilt: Fragen Sie bei der Datenschutzbeauftragten nach! Dort wird Ihnen schnell und verständlich geholfen.

Häufig wird Datenschutz auch angeführt, um vom eigenen Versagen abzulenken. Dann heißt es schnell: Ja, wir würden ja gerne machen, aber wegen des Datenschutzes geht das nicht. – Das ist natürlich Quatsch. Frau Kamp hat das Beispiel Corona-Warn-App erwähnt. Laut waren damals die Rufe, Sie werden sich erinnern, dass die Corona-Warn-App zentral Daten speichern sollte, weil dann der Zugriff besser ist, genau wie in Frankreich. Am Ende hat aber Deutschland zeigt, wie eine dezentrale Open-Source-Corona-Warn-App mit starkem Datenschutz funktioniert, und diese europaweit zur Verfügung gestellt. Der Datenschutz blockiert nicht pauschal, er gibt die Entscheidungsmacht über die eigenen Daten nur dorthin, wo sie hingehört, nämlich in die Hände unserer Bürgerinnen und Bürger.

Ich möchte die Gelegenheit auch nutzen, um zu danken. Zuerst natürlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Datenschutzbehörde. Auch darf die ehemalige Daten-schutzbeauftragte Frau Smoltczyk nicht vergessen wer-den, die für diesen Bericht 2020 noch Verantwortung trug und das Amt in ihren fünf Jahren als Datenschutzbeauftragte groß prägte.

Mein Dank gilt auch ganz besonders Herrn Brozio, der über viele Monate die Berliner Datenschutzbehörde kommissarisch geleitet und auch an den Ausschusssitzungen gewinnbringend teilgenommen hat. Und natürlich möchte ich mich bei der neuen Berliner Datenschutzbeauftragten Frau Kamp bedanken, die sich schnell in den gesamten Berliner Datenschutz eingearbeitet hat und konstruktiv und kritisch mit uns zusammenarbeitet.

Auch die zivilgesellschaftlichen Akteure möchte ich noch nennen. Ohne das ständige Drängen auf die Durchsetzung und Verbesserung des Datenschutzes wären wir in Deutschland und besonders in Berlin noch lange nicht so weit. Zwei möchte ich herausgreifen. Zum einen den Berliner Landesverband von Transparency International, zum anderen den Verein Mehr Demokratie. Beide Organisationen sind besonders durch überaus sachverständige und hilfreiche Kommunikation aufgefallen.

Zum Schluss: Ich freue mich schon auf die weiteren Digitalisierungs- und Datenschutzthemen, die wir als rot-grün-rote Koalition für unsere Bürgerinnen und Bürger behandeln dürfen. Ob wir uns hier in selber Formation zu diesen Themen wiedersehen, steht in den Sternen. Das liegt aber jedenfalls nicht am Datenschutz. – Vielen Dank!“