Jan Lehmanns Reden zu den Themen Landgerichte und Abstimmungsgesetz

In der 30. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin habe ich zwei Reden gehalten. Die erste beschäftigte sich mit einem AfD-Antrag zum Abstimmungsgesetz. Bei der zweiten Rede ging es um die Neustrukturierung des Berliner Landgerichtes und darum, was die Koalition sich im Justizbereich vorgenommen hat.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!


Erst mal möchte ich mich entschuldigen, dass hier einige Worte wiederholt fallen wie in der Rede von Frau Khalatbari, also „schwurbeln“, „Unsinn“, „populistisch“, aber auch dieser Antrag ist ja von der AfD.


Geld spielt auch in der Demokratie, gerade im Kapitalismus, eine große Rolle. Parteien brauchen Geld für ihren Betrieb und für ihre Wahlkämpfe, und auch Volksinitiativen brauchen Geld, um sich bekannt zu machen und die Menschen von ihren Anliegen zu überzeugen, also sammeln diese Initiativen Spenden. Zum Teil lässt sich der Einfluss und auch die Abhängigkeit von Spenden eingrenzen, indem der Staat Teile der Finanzierung übernimmt, wie es zum Beispiel bei den Parteien der Fall ist. Für Trägerinnen von Volksinitiativen ist das gerade keine Option, denn erst nach dem Entscheid können sie sich die Kosten zum Teil erstatten lassen, und so bleibt eben nur die Finanzierung über Spenden.


Bereits jetzt müssen Volksinitiativen alle Geld- und Sachspenden über 5 000 Euro der Innenverwaltung melden – das wurde schon gesagt –, und diese Transparenz ist auch wichtig, damit wir wissen, wer gegebenenfalls die Lobbyisten sind. Sicher hätten sich vor einigen Jahren weniger Menschen für die AfD entschieden, wenn sie gewusst hätten, wie viel Geld die AfD und ihre Parteispitze illegal und geheim aus der Schweiz erhalten. Der vorliegende Antrag wird der Debatte aber keineswegs gerecht, sondern ist, wie vom rechten Rand dieses Parlaments nicht anders zu erwarten, populistischer Unsinn.


Er ist populistisch, weil er suggeriert, dass das Abstimmungsergebnis des Klimavolksentscheids mit Geld gekauft sei. Im Gegensatz zu den Geldern der AfD aus der Schweiz sind die Spenden der Initiative aber vollkommen legal und transparent gelaufen, zum Großteil aus den USA. Das wissen wir, und dass wir das wissen, zeigt doch auch, dass wir hier, wie der Staatssekretär Hochgrebe vorhin in der Fragestunde schon angekündigt hat, mit Augenmaß auf die vorhandenen Regeln schauen werden. Geplant sind sinnvolle Anpassungen. Hier zeigt sich wieder, dass die AfD selbst kein Vertrauen in die Wählerinnen und Wähler hat. Es lässt sich aber nicht alles mit Geld kaufen; jedenfalls nicht der gerade gelaufene Volksentscheid, denn letztlich bekam er ja auch keine Mehrheit.


Der Antrag ist nicht nur populistisch, er ist auch tatsächlich Unsinn, er ist handwerklich und inhaltlich schwach – einfach einen Paragrafen aus dem Parteiengesetz zu kopieren, reicht hier eben nicht, denn die Regelungen sind für Parteien und nicht für Volksinitiativen brauchbar. Im Abstimmungsgesetz gibt es ja gerade die Regelung für die Parteien, dass sie sich, wenn sie Träger einer Volksinitiative sind, besser offenlegen sollen. Das zeigt doch, dass der Gesetzgeber das Problem der Unterscheidung der Parteien und Volksinitiative nicht übersehen, sondern dass bewusst eine Abwägung stattgefunden hat. Setzen wir hier bei den Volksentscheiden aber zu strenge Regeln, machen wir die direkte Demokratie schwerer oder gar unmöglich und erzwingen geradezu, dass nur hochprofessionelle und gutfinanzierte Volksinitiativen Erfolg haben. Das will ich nicht, und das will die Berliner SPD nicht.


Spenden für den Klima-Volksentscheid sind nicht das Problem, sondern dass Volksentscheide zum Klima überhaupt nötig sind, vielleicht begreift das irgendwann auch die AfD. – Vielen Dank!


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!


Der Antrag betrifft – es wurde mehrmals gesagt – eher eine formale Änderung, die bereits ausführlich erklärt wurde und auch mehrheitsfähig sein wird. Das gibt uns deshalb die Gelegenheit, in dieser ersten inhaltlichen Sitzung nach der verordneten Wiederholungswahl über wichtige Themen der Berliner Gerichte und der Berliner Justiz zu sprechen. Dabei stehen wir vor drei großen Herausforderungen, die wir auch durch und wegen der Neuordnung der Berliner Landgerichtsstruktur besser in Angriff nehmen können.


Die vielleicht drängendste Herausforderung der Berliner Justiz ist die Nachwuchsfrage. Der demographische Wandel macht auch vor der Justiz keinen Halt. Wir erwarten, dass im gesamten Berliner Justizbereich bis 2029 etwa ein Drittel aller Beschäftigten in den Ruhestand geht. Hierauf werden wir reagieren müssen. Wir werden die Pläne für die Errichtung einer zentralen Aus- und Fortbildungsstätte prüfen und dabei die enge Zusammenarbeit mit Brandenburg nicht vergessen. Wir werden auch mehr Plätze für das Rechtsreferendariat schaffen, auch die Teilzeit weiter ermöglichen. Das Referendariat in Berlin kann so attraktiver werden.


Zur Steigerung dieser Attraktivität werden wir auch wieder über eine Verbeamtung der Referendarinnen und Referendare zu sprechen haben. Um diese jungen Menschen für die Berliner Justiz zu gewinnen, werden wir außerdem ein Pilotprojekt starten. Darin können Referendarinnen und Referendare für bis zu sechs Stunden in der Woche nebenberuflich, sogenannte Justizassistentinnen, die Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte unterstützen und deren Arbeit kennenlernen.


Der nächste Punkt ist praktischer Natur. Auch die Justiz hat das Problem fehlender Räume. Deshalb werden wir die Amts- und Staatsanwaltschaft auf dem Campus Moabit zusammenführen. Zudem werden wir prüfen, ob und wie das Kathreiner-Haus für die Justiz am besten genutzt werden kann. Als drittes liegt mir als Digitalpolitiker die Digitalisierung der Berliner Justiz nahe. Es ist kein Geheimnis, dass es dabei schon einige Jahre schieflief. Verwaltungsdigitalisierung ist ohnehin ein komplexes Thema. Die besonderen Voraussetzungen in der Justiz erschweren es zusätzlich. Trotzdem wurden bereits mit Rot-Grün-Rot wichtige Schritte unternommen. Daran werden wir anknüpfen.


Als konkretes Ziel hat sich die Regierungskoalition die Möglichkeit des mobilen Arbeitens gesetzt. Darüber hinaus sollen in allen Berliner Gerichtssälen digitale Verhandlungen möglich sein. Da Digitalisierung ein fortlaufender Prozess ist, der nie aufhören wird, werden wir gemeinsam mit allen relevanten Akteuren prüfen, ob ein Berliner Legal Tech Zentrum errichtet wird. Während ein gut funktionierendes allgemeines digitales Justizsystem für Bürgerinnen und Bürger ein großer Gewinn ist, ist es das Serviceportal der Justiz für den Alltag umso mehr. Hier sollen Leistungen der Justiz online beantragt werden können und niedrigschwellige Informationen zur Verfügung stehen.


Diesen drei Herausforderungen Nachwuchs, Räume und Digitalisierung werden wir uns in den nächsten Jahren stellen. Ich bin zuversichtlich, dass wir dabei parteiübergreifend sachlich debattieren werden. Das ist die SPD unseren Bürgerinnen und Bürgern und vor allem unseren Mitarbeitenden in der Berliner Justiz schuldig. – Vielen Dank!