Heute geht es in meiner Reihe zum Frauentag um die Namensgeberin des Charlotte-von-Mahlsdorf-Rings am Hultschiner Damm. Wer sich mit dem Gründerzeitmuseum im Gutshaus Mahlsdorf auskennt, wird jetzt richtigerweise einwenden: Charlotte von Mahlsdorf war keine Frau. Denn Charlotte war eine Rolle (mit den Pronomen sie, was ich im Folgenden verwenden werde) von Lothar Berfelde. Charlotte war keine Trans-Frau, sondern sah sich selbst außerhalb der traditionellen Geschlechterrollen. Da der Frauentag auch für mich ein feministischer Kampftag war und ist, werde ich deshalb heute auch über Charlottes Leben und ihren Kampf gegen traditionelle Geschlechterrollen erzählen. Der Einfachheit halber wird im folgenden nur von Charlotte von Mahlsdorf gesprochen, auch wenn es um die Geschichte von Lothar Bierfelde geht. Mit diesem Verständnis habe ich sie selbst als Kind und Jugendlicher erlebt.
Die 1928 geborene Charlotte von Mahlsdorf fühlte sich bereits als Kind als Mädchen und ging auch schon früh ihrer Sammelleidenschaft nach: Einem Kreuzberger Trödelhändler half sie beim Ausräumen von Wohnungen und kaufte dabei immer auch Stücke für sich selbst.
Ihr Vater war überzeugter Nationalsozialist und drängte auch Charlotte dazu, in die Hitlerjugend einzutreten. Als einer ihrer zahlreichen Streits eskalierte, bedrohte der Vater sie mit seinem Revolver. In der Nacht erschlug Charlotte ihn dann im Schlaf. Nach einem Psychiatrie-Aufenthalt wurde Charlotte zu vier Jahren Jugendhaft verurteilt.
Charlotte von Mahlsdorf vergrößert ihre Sammlung
Nach Kriegsende freigelassen, arbeitete Charlotte als Trödlerin und nannte sich zu der Zeit erstmals öffentlich Lottchen und kleidete sich weiblich. Vor allem Haushaltsgegenstände rettete sie aus den zerbombten Häusern und vergrößerte so ihre Sammlung.
Zwei Jahre verbrachte sie damit, das verlassene Schloss Friedrichsfelde (im Tierpark) notdürftig instand zu setzten, vor Vandalismus zu bewahren und darin Flüchtlinge und Vertriebene aufzunehmen. Außerdem begann sie dort mit Führungen durch ihre Sammlung.
1960 eröffnete Charlotte von Mahlsdorf dann das Gründerzeitmuseum im Gutshaus Mahlsdorf. Die Sammlung der Alltagsgegenstände der Gründerzeit ergänzte sie im Laufe der Zeit immer weiter.
Nachdem 1991 eines ihrer Feste von Neonazis überfallen wurde, entschied Charlotte sich, Deutschland zu verlassen. Ein Jahr später erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. 1997 wanderte sie dann endgültig nach Schweden aus. Bei einem Berlin-Besuch starb sie im April 2002. Ihre letzte Ruhestätte hat sie auf dem Waldkirchhof in Mahlsdorf, der einen Besuch wert ist.